Bankfreie Geldschöpfung

Interview mit Bitcoin Suisse Verwaltungsratsmitglied Luzius Meisser zum Frankencoin

Luzius Meisser ist Informatik-Ingenieur und bezeichnet sich als Krypto-Pionier. Mit dem Frankencoin hat der bis vor Kurzem als Bitcoin Suisse Präsident amtende Meisser im Frühjahr dieses Jahres einen alternativen digitalen Franken lanciert.

Inzwischen wurden erste Token als Sicherheit akzeptiert und hinterlegt, wie man auf frankencoin.com nachlesen kann. So auch die tokenisierte Aktie der Boss Info AG.

Im Interview stellt Luzius Meisser sich offen unseren Fragen und teilt seine Eindrücke und Ansichten mit uns.

Was ist Frankencoin und mit welcher Absicht wurde dieser lanciert?

Der Frankencoin ist ein Stablecoin, der Transaktionen in Schweizer Franken auf der Ethereum-Blockchain ermöglicht. Der Ursprung ist ein Forschungsprojekt im Rahmen meines Doktorats. Ich wollte damit zeigen, wie die Blockchain zur dezentralen Geldschöpfung verwendet werden kann. Die Inspiration dazu kam vom Liquity, einem Dollar-Stablecoin, der ebenfalls in der Schweiz entwickelt wurde. Darauf aufbauend habe ich versucht, einen Stablecoin zu schaffen, der noch etwas dezentraler und flexibler ist.

Was bedeutet dezentrale Geldschöpfung?

Normalerweise geschieht die Schöpfung von Geld zentral über eine Bank oder die Zentralbank. Wenn jemand zu einer Bank geht und Aktien als Sicherheit bringt, dann darf die Bank dieser Person einen Lombardkredit geben. Wenn ein Kunde bespielsweise bei Swissquote 1000 Nestlé-Aktien im Depot hat, kriegt er mit diesen Aktien als Sicherheit einen Kredit von vielleicht 50’000 Franken zu einem Zins von 4.2%. Anders als viele denken, stammt dieses Geld aber in der Regel nicht von einem anderen Kunden, sondern es wird frisch gedruckt. Die Bilanz der Bank wird auf der Aktivseite und auf der Passivseite gleichzeitig um 50’000 Franken grösser, weil der Kunde nun 50’000 zusätzliche Franken auf dem Konto hat und gleichzeitig der Bank 50’000 Franken schuldet. Und wenn der Kunde die 50’000 Franken nicht zurückzahlen kann, dann verkauft die Bank die Nestlé-Aktien. Der Frankencoin bildet diesen Prozess auf der Blockchain ab, einfach ohne Bank. Das klingt jetzt sehr abstrakt, ist aber relativ einfach. So kann man beispielsweise Boss-Aktien im Wert von 100’000 Franken im Frankencoin-System hinterlegen und sich 50’000 Frankencoins (abzüglich eines vorab geschuldeten Zinses) in Selbstbedienung drucken. Wenn man die Aktien eines Tages zurückhaben will, muss man das Geld zurückzahlen. Und wenn man nicht zurückzahlt, werden die Aktien versteigert und der ausstehende Betrag aus dem Erlös beglichen. Dieser ganze Prozess ist mechanisch in Smart Contracts abgebildet, so dass die Bank überflüssig wird.

Frankencoin Bild

Das klingt abenteuerlich! Was kann dabei schiefgehen?

Der Name Frankencoin deutet nicht nur an, dass es sich um einen Franken-Stablecoin handelt, sondern ist auch eine Anspielung auf den Schweizer Wissenschaftler Victor Frankenstein aus dem berühmten Roman, in dem derselbe ein Monster erschafft, über das er die Kontrolle verliert. Wenn man ein System schafft, das nach starren Regeln funktioniert, besteht die Gefahr, dass diese Regeln unvorhergesehene Auswirkungen haben. Der Name erinnert also die Benutzerin oder den Benutzer stets daran, dass im Umgang mit Kryptowährungen bei allem Enthusiasmus eine gewisse Vorsicht geboten ist. Während man technische Risiken mittels Security-Audits minimieren kann, beinhaltet das System wirtschaftliche Risiken, denen man sich bewusst sein sollte. Beispielsweise gibt es keine harte Anbindung an den Schweizer Franken, sondern nur eine weiche Anbindung über die Setzung von entsprechenden Anreizen an die Marktteilnehmer. Wenn zu viele Leute gleichzeitig Frankencoins verkaufen wollen, besteht daher die Gefahr, dass sein Wert temporär unter einen Franken sinkt, oder im umgekehrten Fall darüber. Solange die deponierten Sicherheiten ihren Wert nicht verlieren und die Systemteilnehmenden sich rational verhalten, sollte der Frankencion aber mittelfristig stets zur Parität zurückkehren.

Frankencoin ist neben Crypto Franc und Swiss Stablecoin ein weiterer E-Franken. Weshalb hast du mit der Lancierung des Frankencoins ein weiteres Ecosystem ins Leben gerufen?

Der CryptoFranc (XCHF) war lange Zeit der grösste Schweizer Stablecoin, wurde inzwischen aber eingestellt und vom Frankencoin überholt. Dezentrale Stablecoins wie der Frankencoin haben das Potenzial, wesentlich transparenter und sicherer zu sein als zentralisiert ausgegebene Stablecoins wie der CryptoFranc, da sie nicht von der Solvenz des Emittenten abhängig sind. Es fehlt ihnen der „single point of failure“, was sie als System robuster macht.

Die von der Finanzaufsicht Finma geforderte flächendeckende Identifikation aller Nutzerinnen und Nutzer von Stablecoins gibt aktuell Anlass zu Diskussionen. Wie schätzt du die momentane Situation ein?

Zum Glück sind dezentrale Stablecoins nicht von der Auslegung der Finma betroffen. Auch arbeitet das Finanzdepartement an einer Überarbeitung des Gesetzes, bei der sich die Swiss Blockchain Federation für eine verhältnismässige Regulierung einsetzen dürfte. Diese angedachte Gesetzesänderung wäre eine grosse Chance für die Schweiz, verlorenes Terrain wieder wettzumachen, wenn es gelingt, sie gut auszugestalten.

Frankencoin Bild

Herzlichen Dank für das Interview und die spannenden Insights rund um den Frankencoin und deine persönliche Sicht auf dieses aktuelle Thema. 

Wir sind gespannt auf die Entwicklungen am Markt.

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Doris Brand

Head of Marketing & Investor Relations

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